1. Endverkauf zu Jahresbeginn
Für mehr als eine Dekade ging es auf dem Immobilienmarkt preislich nur bergauf: Außergewöhnliche Finanzierungsbedingungen trafen auf einen Markt mit regulationsbedingt knappem Angebot. Was viele Beobachter jedoch übersehen: Bereits zu Beginn dieses Jahres, noch weit vor des russischen Kriegsbeginns, änderten sich die Vorzeichen in bedeutendem Maße. Durch coronabedingte Lieferengpässe und sicherlich auch durch Einfluss der lockeren Geldpolitik der letzten Dekade fand eine geldpolitische Wende statt: Erstmals war ein Zinsanstieg zu beobachten, eine Abkehr der stetig sinkenden und sich nahe-null einpendelnden Zinsen seit der letzten Finanzkrise.
Doch viel wichtiger: Die Erwartung der Marktteilnehmer ging von weiteren Zinsanstiegen aus. Dies resultierte in einer Art „Torschlusspanik“: Akteure wollten den vermeintlich letzten Moment nutzen, um sich günstige Finanzierungskonditionen zu sichern. Dies entzügelte eine große Nachfrage, die im Kölner Westen auf einen Markt mit traditionell wenig Angebot traf. Aufgrund des Booms der letzten Jahre waren Immobilien hier seltene und begehrenswerte Objekte, die oftmals unter der Hand und meistbietend verkauft wurden, bevor diese den öffentlichen Markt erreichten. So war es auch im Frühjahr: Ein Nachfrageschock im positiven Sinne traf auf ein traditionell sehr knappes Angebot, was enorme Preisanstiege zur Folge hatte – was in sehr gefragten Einzelmärkten in Kölner Westen teilweise Preisaufschläge von bis zu 20% binnen weniger Wochen bedeutete. Doch die Party endete abrupt, mit einem Knall.
2. Schock nach Kriegsbeginn
Ab dem 24.02.2022 änderte sich nicht nur die Welt, wie wir sie kannten, sondern auch der Immobilienmarkt, wie wir ihn gewohnt waren. Die allgemeine Unsicherheit bezüglich der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Russlands Einmarsch setzte nicht nur die gesamte Wirtschaft in eine Schockstarre, sondern auch die Immobilienmärkte. Wie alle Lokalmärkte war auch der Immobilienmarkt im Kölner Westen hiervon betroffen.
Die Reaktion von Verkäufern und Käufern unterschied sich jedoch grundlegend.
Verkäufer, die fabelhafte Preisentwicklung von Jahresbeginn vor Augen habend, sahen den letzten Moment eines mehr als zehn Jahre währenden Zyklus, ihre Immobilie zu einem Höchstpreis zu verkaufen, was auch zu einigen Fantasiepreisen führte. Das Angebot explodierte. Auch die Märkte in Lindenthal, Junkersdorf und Braunsfeld, die traditionell wenig öffentliches Angebot haben, wurden von Immobilieninseraten überflutet. Vereinzelt waren auch Objekte des Premiumsegments in der öffentlichen Vermarktung anzutreffen – ein Marktsegment, in dem dies in den letzten zehn Jahren ausgenommen unüblich war.
Doch wie reagierten die Käufer? Gar nicht – es gab sie nicht. In einem Schockzustand kam die Nachfrage zum erliegen. Banken taten sich schwer, ihre Kalkulationen an eine neue Realität anzupassen. Interessenten war es nicht möglich, einen „fairen“ Preis zu bestimmen in einem Marktumfeld, in dem es keine Transaktionen gab. In der Hoffnung auf ein bald eintretendes Kriegsende oder in Antizipation sinkender Immobilienpreise hieß die Devise: Abwarten.
Ein immer weiter steigendes Angebot ohne die passenden Abnehmer führte zu einer Fülle an Angeboten, die vorher selten und in den letzten 12 Jahren gar nicht zu beobachten war.
3. Ausbleibende Annäherung
Während die durch die letzten Jahre mit teilweise zweistelligen Wertsteigerungsraten verwöhnten Verkäufer von der Realitätsnähe ihrer Preise und der Werthaltigkeit ihrer Immobilien überzeugt waren und Preisreduzierungen daher fast kategorisch ausschlossen, traten nun auch wieder Nachfrager auf. Diese mussten jedoch wegen der grundlegend geänderten Marktlage und sich vervielfachenden Finanzierungskosten anders kalkulieren und waren nicht bereit, die bestehenden Preisvorstellungen der Verkäufer zu erfüllen. In Erwartung eventuell sinkender Preise blieben die Kaufzusagen aus. Die Vorstellungen von Verkäufern und Kaufinteressenten trafen sich nicht, Transaktionen blieben aus. Das alles vor dem Hintergrund eines steigenden Angebots, dass sich allmählich aufstaute.
4. Das Finale von 2022
Gesunkene Nachfrage – steigendes Angebot: Das führt zwangsläufig zu sinkenden Preisen. Üblicherweise wurden die begehrenswerten Objekte im Kölner Westen tendenziell eher über dem Angebotspreis als darunter verkauft – der Anteil preisreduzierter Objekte am Markt lag in den vergangenen Jahren praktisch bei 0%. Doch in diesem neuen Marktumfeld, in dem Angebot und Nachfrage sich neu sortierten, war es anders: Die ersten Preissenkungen fanden statt – in Märkten, die dieses Phänomen seit langem nicht kannten. Und es blieb kein Einzelphänomen: Rund 30-40% der Angebote in Junkersdorf, Lindenthal und Braunsfeld wurden seit Kriegsausbruch im Preis reduziert, andere wurden zu Ladenhütern. Die höchsten Preisabschläge waren fraglos bei unsanierten, energetisch ineffizienten Gebäuden zu beobachten; eine direkte Folge der Preisanstiege für Energie und Bauleistungen. Vor allem hier hielten sich Kaufinteressenten wegen der größeren Risiken in Bezug auf die Höhe der Betriebs- und Sanierungskosten zurück.
Die Entwicklung in den Teilmärkten von Lindenthal, Junkersdorf und Braunsfeld verlief sehr ähnlich, aber mit leichter Verzögerung. Doch auch hier war es kein Geheimnis, dass eine Verschiebung zwischen den Marktsegmenten stattfindet, mit Preisabschlägen für ineffiziente und sanierungsbedürftige Gebäude, die tendenziell Wert eingebüßt haben und modernen und effizienten Gebäuden, die Stabilität bewiesen haben.
Doch auch wenn die Dramaturgie anderes verhieß: Der Crash blieb aus. Und wie so oft hängt es von der Perspektive ab: Auch bei sehr starken Preiskorrekturen gegenüber der Zeit zu Jahresbeginn, also unmittelbar vor Kriegsausbruch, die durchaus auch in der Breite zu beobachten waren, befanden sich die Angebotspreise zu Jahresende noch auf dem Niveau von Vorjahreswerten – die damals als historische Höchstwerte galten – oder darüber… Während der durchschnittliche angebotene Quadratmeterpreis von einer Eigentumswohnung in Junkersdorf im Jahr 2022 im Vorjahresvergleich fast stagnierte, legte er in Lindenthal um bemerkenswerte 8,65% zu.
Und auch das Überangebot beginnt sich bereits gegen Ende des Jahres abzubauen:
So ging die Zahl der Neuinserate in Junkersdorf um fast 20% zurück, während sie im Vorquartal noch um fast 30% angestiegen war. Ein noch deutlicheres Bild in Lindenthal, wo sich die Anzahl der neu inserierten Angebote im vierten Quartal mehr als halbierte, in Braunsfeld war eine Angebotsabnahme um knapp über 40% zu verzeichnen. Anzeichen einer anstehenden Normalisierung.
Ausblick: Thesen für den Immobilienmarkt 2023
Welche Schlüsse für die weitere Entwicklung des Immobilienmarktes im Kölner Westen lassen sich also aus dem letzten Jahr ziehen?
Aufwertung von energieeffizienter Immobilien / Abwertung von sanierungsbedürftigen Objekten
- Aufgrund des Bevölkerungswachstums und der chronischen Unterversorgung des Wohnmarkts in Ballungsgebieten bleibt die Nachfrage nach dem Gut „Wohnen“ hoch – aufgrund der massiv steigenden Nebenkosten wächst gleichzeitig die Bedeutung von Energieeffizienz. Dieser Aufwertung energieeffizienter Immobilien steht eine Abwertung ineffizienter und sanierungsbedürftiger Immobilien gegenüber, was auch durch den Anstieg der Baukosten gestützt wird.
Die Wohnungsnot wächst
- Der weiter steigenden Wohn-Nachfrage steht ein dramatischer Rückgang der Neubauaktivität gegenüber. Die Anzahl der erteilten Baugenehmigungen ist die tiefste seit Jahren. Die Stornierungen im Bau befinden sich auf Rekordhoch -> Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Kaufmarkt geht weit auseinander – mit der Vollbremsung des Wohnungsbaus wird sich die nicht nur die Wohnungsnot und damit die Mietpreisentwicklung verstärken. Ein sich relativ zur Nachfrage verkleinerndes Angebot an Kaufobjekten wirkt stützend auf deren Preise.
Explodierende Mieten
- Aufgrund steigender Finanzierungskosten weichen viele „Grenzhaushalte“, für die bei günstigen Finanzierungsbedingungen eine Immobilie leistbar war, auf den Mietwohnungsmarkt aus -> hierdurch entsteht eine größere Nachfrage auf dem Mietmarkt was zu steigenden Mietpreisen führt
Die langsame Rückkehr zu Normalität
- Die Zahl der Neuinserate nahm zum Ende des vergangenen Jahres in den sehr gefragten Lagen bereits ab – doch das Überangebot bestand weiterhin. Mit einer weiter rückläufigen Zahl an Neuinseraten braucht es Zeit, bis das Überangebot abgebaut ist: Entweder, weil Verkäufer oder Käufer zu Zugeständnissen bereit sind oder der Verkauf vorerst auf Eis gelegt wird. Insbesondere bei den besonders gefragten Objekten wird dies schneller gehen, also in besonderen Lagen oder bei Immobilien mit hoher (auch energetischer) Qualität.
icon 8 inhouse research
„Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts“ – sicherlich haben sie diesen Satz bereits oft gehört. Auch wir sehen in Daten und Informationen einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil für eine realitätsnahe Bewertung des Immobilienmarktes. Aus diesem Grund erheben wir sämtliche Daten über unsere Märkte Lindenthal, Braunsfeld, Junkersdorf und angrenzende Veedel selbst, was uns erlaubt Trends frühzeitig zu erkennen und zu antizipieren. Es gibt uns die Möglichkeit, granular in Einzelmärkte, Nachbarschaften, Straßenzüge und Objekteigenschaften zu sehen und zu differenzieren – etwas, das von Datenanbietern und Plattformen zugekaufte Daten nicht ermöglichen. Sie möchten wissen, was das Jahr 2022 für den Wert Ihrer Immobilie bedeutet hat? Sprechen Sie uns gerne für eine Wertanalyse an.